FORUM AGOSTINO STEFFANI (FAS)


Das FORUM AGOSTINO STEFFANI (FAS), gegründet 2014, ist ein Kulturprojekt zur ersten umfassenden öffentlichen Darstellung der europäisch geprägten Hofkultur, insbesondere der Hofmusikkultur des Welfenhauses in Hannover zwischen 1665 und 1714. Die rund fünfzig Jahre währende Blüte dieser hochbarocken Hofkultur manifestiert sich heute als die geschichtliche und musikgeschichtliche Glanzzeit Hannovers von internationalem Rang, markiert durch den Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) und den Komponisten, Hofkapellmeister, Diplomaten und Bischof Agostino Steffani (1654- 1728).

Das FAS ist als fortgesetztes Kulturprojekt Hannovers und Niedersachsens konzipiert. Hauptplattform der öffentlichen Vermittlungsarbeit ist die jährliche FAS-Festwoche mit Konzerten (Opern, Kirchenmusik und Kammermusikkonzerte), Vorträgen, Workshops und Tagungen. Die Tätigkeit des FAS ist grundsätzlich interdisziplinär geprägt.

Veranstaltungsorte sind die Neustädter Hof- und Stadtkirche St. Johannis sowie historische Gebäude in den Herrenhäuser Gärten.

Der Verein Freunde und Förderer FORUM AGOSTINO STEFFANI e.V. dient der Propagierung und Unterstützung der Arbeit des FAS.

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Die welfische Hofmusikkultur in Hannover während der Ära der Herzöge und Kurfürsten Johann Friedrich (1665-1679), Ernst August (1679-1698) und Georg Ludwig (1698-1727, ab 1714 auch englischer König George I.) war durch den Einfluss der italienischen und französischen Musik der Zeit geprägt. Die Musik der römischen Basiliken in der Kapelle des Leineschlosses, die Opernpflege im neuen Schlossopernhaus in der Leinstraße, die französisch orientierte Instrumentalmusik, die kunstvolle italienische Manier der vokalen Kammermusik und die epochale italienisch-französische Stilsynthese machten die Leinestadt zur musikalischen Drehscheibe Europas, zur wahren "Werkstatt europäischer Musik" -- mehr als 300 Jahre vor dem UNESCO-Prädikat "City of Music".

Agostino Steffani, Hofkapellmeister, Chefdiplomat und Kurwürden-Vermittler für Ernst August, stand mit seinen für Hannover komponierten acht Opernwerken sowie mit seinen Kammerduetten im Zentrum des musikalischen und politischen Geschehens. Zusätzlich zu seiner späteren Tätigkeit als Bischof und "Apostolischer Legat des Nordens" (er war der Erbauer der Basilika St. Clemens in der Neustadt) prägte er das Bild nicht nur Hannovers. "Abbé Steffani" war eine europäische Institution, ein integrierender Genius Europas, ein Verhandlungspartner des Kaisers und des Papstes und der einflussreichste Komponist seiner Zeit. Aus seinen Werken schöpfte G. F. Händel sein Leben lang; Steffanis Musik wurde von J. S. Bach studiert und aufgeführt.

Steffanis Aktualität ist heute größer denn je. Er erscheint immer mehr als das wahre Pendant zu Gottfried Wilhelm Leibniz -- sowohl am hannoverschen Hof als auch im europäischen Zusammenhang. Die Herausarbeitung eines Doppeltableaus Leibniz-Steffani ist ein zentrales Anliegen des FAS.

Das FAS will alle Schichten der welfischen Hofmusikkultur vermitteln -- kirchenmusikalische, kammermusikalische und opernmusikalische. Es berücksichtigt dabei auch die rege, italienisch geprägte Berliner musikalische Hofhaltung der Welfenprinzessin und preußischen Königin Sophie Charlotte (1668-1705), Tochter des Kurfürsten Ernst August und der Kurfürstin Sophie. Ihre Musikalität (als versierte Cembalospielerin leitete sie auch Opernaufführungen) war europaweit gerühmt. Ihre enge Verbindung zu Leibniz und Steffani unterstreicht den Anteil, den der hannoversche Welfenhof am kulturellen Aufstieg der preussischen Dynastie hatte, verkörpert durch Sophie Charlottes Enkel, Friedrich den Großen.

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Zwei untrennbare Seiten der FAS-Arbeit sind die komplexe, doch klar strukturierte Inhaltlichkeit und das ausgeprägte pädagogische Engagement. Die ungeahnte Qualität großenteils erstmalig erklingender Meisterwerke erweitern den musikalischen Horizont des Hörers erheblich. Als Botschafter eines gewaltigen Kraftfeldes der europäischen Kulturgeschichte formen sie in besonderer Weise die künstlerisch-ästhetische Erfahrung des musikalischen Nachwuchses, insbesondere der jungen Instrumental- und Vokalensembles, die von dem FAS für die Durchführung der Konzertveranstaltungen gezielt aktiviert werden. Parallel hierzu gestaltet sich eine weitere Ebene der FAS-Jugendpädagogik, mit Einladung von Schulklassen zu Workshops und Generalproben.

Eine wesentliche Rolle spielt bei alldem die Berücksichtigung der lateinischen Musica Sacra aus der Zeit zwischen 1650 und 1730. Das breite Ausdrucks- und Stilspektrum sowie die überkonfessionelle ethischen Kraft dieses Repertoires, das im Zuge der Überfütterung mit Barockmusik und im Schatten des Barockopernbooms in der Gegenwart arg vernachlässigt wird, ist von einer spirituellen und geschmacksbildnerischen Ausstrahlung, die mit nichts zu ersetzen ist.

Mit dem Gewicht ihrer Inhalte, aufgrund ihrer innovativen Züge wie klarer Strukturiertheit der Vermittlung, strikter Inhaltsbezogenheit und Verzicht auf Interpretenkult, aber auch aufgrund ihres pädagogischen und kulturpolitisch-kritischen Engagements, setzt die Kulturarbeit des FAS ganz eigene Maßstäbe. (Innovativ an der Arbeit des FAS ist alleine schon, dass sie tatsächlich innovativ ist und nichts mit dem Milieu der gleichlautenden inflationären Worthülse "innovativ" zu tun hat.)

Die glanzvolle, europäisch geprägte welfische Hofmusikkultur ist das substantielle Rückgrat und die historische Tiefendimension der Musikstadt Hannover. Ob sich Hannover dazu auch als "City of Music" bekennt, ist vorerst noch eine offene Frage.

1. Januar 2017
L.R.

 

 

 

(Siehe auch Rubrik < "Näheres zum Kulturprojekt FAS" > sowie weitere Informationen)